Diese Seiten sind Oleg Meiling gewidmet...

 Song 3 von "Kaesa" (Dir Freund)

Olegs Einsatz

Hausen zählt etwas mehr als 100 Einwohner, das Dorf liegt einige Kilometer westlich von Leinefelde. Am Dienstagnachmittag, gegen 16 Uhr, fahren zwei Autos der Bundeswehr durch den Ort, parken vor dem Haus, in dem die Eltern von Oleg Meiling wohnen. Ein Offizier geht hinein, zusammen mit einem Pfarrer und einem Arzt.

Vor der Tür stehen Soldaten stramm und halten Wache.

Am selben Tag, um 12.30 Uhr Ortszeit in Afghanistan, wird sechs Kilometer südwestlich von Kundus eine Patrouille der Bundeswehr angegriffen. Taliban-Kämpfer attackieren die Soldaten mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten. Das Feuergefecht zieht sich über Stunden. Ein Fuchs-Transportpanzer will den Geschossen ausweichen und stürzt bei dem Manöver in einen tiefen Wassergraben. Das Fahrzeug bleibt mit dem Dach nach unten im Wasser liegen.

Mehrere Soldaten können befreit werden, darunter Michael S. aus Leinefelde. Zwei Soldaten sterben sofort, einer erliegt später seinen Verletzungen. Alle sind noch sehr jung und aus Deutschland: zwei 23-Jährige aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt und ein 21-Jähriger aus Hausen im Eichsfeld.

Oleg Meiling stirbt nur unweit der Grenze zu jenem Land, aus dem er einst nach Thüringen kam. Er war noch ein Baby, als er mit seiner Familie als sogenannter Russlanddeutscher aus Turkmenistan nach Deutschland kam. Seitdem lebte er hier, wuchs auf, ging zur Schule und spielte Fußball. Gerade erst war er mit seiner Mannschaft SC Leinefelde 1912, in der er als Verteidiger auflief, in die höchste thüringische Liga aufgestiegen.

 

In Leinefelde ging Oleg auch auf die Schule und machte danach eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Vor zwei Jahren, nach der Prüfung in Erfurt, ließ er sich zur Bundeswehr einziehen. Stationiert war er beim Panzergrenadierbataillon 391 in Bad Salzungen, von dem etwa 300 Soldaten am Hindukusch eingesetzt sind. Ein Jahr lang wurde er in Südthüringen auf seinen Einsatz vorbereitet, der aber eigentlich erst in einigen Wochen beginnen sollte. Doch vor gut einer Woche bekam Oleg den Einsatzbefehl. Am Dienstagmittag startete sein Flugzeug von Köln aus.

Fast, sagt Fabian Skorupa, hätte er den Abflug verpasst, wegen der vielen Umleitungen und Baustellen. Der 22-Jährige war einer der besten Freunde Olegs. Wir wollten zusammen feiern, wenn er aus Afghanistan zurückkommt, sagt er. Und nun ist er tot.

Skorupa kann am Dienstag nicht auf Arbeit fahren, nach Göttingen, wo er in einem Cafe arbeitet. Ich bin noch total fertig. Viele, sagt er, seien gegen den Einsatz gewesen: der Vater, die Freunde, die Fußballer. Auch Oleg selbst sei, je näher der Flugtermin rückte, deutlich unsicherer geworden. Er wurde verschlossener, seine Stimme klang traurig, erinnert sich der Freund an das letzte Treffen, bevor Oleg nach Düsseldorf fuhr, um noch einige Tage mit seiner Freundin zu verbringen.

Alles war zuletzt sehr hektisch, im Fußballverein fand die geplante Abschiedsfeier nicht mehr statt. Er wollte diese später nachholen, sagt Andreas Knoll, der beim SC Leinefelde im Tor steht. Wir haben öfter zusammen etwas unternommen. Er hatte immer gute Laune, war vernünftig. Sein Mannschaftskamerad Martin Wiederhold sagt: Als ich das letzte Mal mit ihm essen war, zweifelte er daran, ob seine Entscheidung, nach Afghanistan zu gehen, richtig sei.

Mit Oleg kam ich super klar, sagt auch Fußballer Patrick Zietz, der selbst im Kosovo im Einsatz war. Die Vorbereitung auf solche Einsätze könnte besser sein. Wenn die Sicherheitslage unklar ist, sollten die Jungs im Feldlager bleiben.

In Hausen steht noch alles unter Schock. Als die Autos der Armee vor dem Haus standen, hatten wir schon ein mulmiges Gefühl, sagt Conny Brand, sie arbeitet im Dorf in einem Architekturbüro. Schnell habe sich dann die Nachricht verbreitet. Wir sind alle tief erschüttert, das tut einem in der Seele weh. Natürlich, sagt sie, habe man immer von den Dingen gehört, die in Afghanistan und in anderen Kriegen passiere. Doch wenn man den Menschen kenne, tue es richtig weh.

Allen Soldaten ist die Ernsthaftigkeit solcher Einsätze klar, sagt Andreas Killmann. Der Oberstleutnant ist Kommandeur des Bad Salzunger Panzergrenadierbataillons, er ist jener Offizier, der die Eltern von Oleg im Eichsfeld informierte.

Killmann fällt es am gestrigen Mittag schwer, über das Geschehene zu reden: Es sind die ersten Todesopfer aus der Werratal-Kaserne. Im Frühjahr waren schon fünf Panzergrenadiere seines Bataillons bei einem Brandanschlag zum Teil schwer verletzt worden. Aber immerhin, sie überlebten, auch wenn sie noch immer nicht vollständig genesen sind.

In der Kaserne rechnet man damit, dass die Toten am Samstag nach Deutschland überführt werden, eine Gedenkfeier nächste Woche ist in Planung, der Bundesverteidigungsminister und der Generalinspekteur werden daran teilnehmen. Bis dahin weht die Fahne am Eingangstor auf Halbmast derweil die Ausbildung für neue Kampfeinsätze in Afghanistan wie bisher weitergeht.

Am gestrigen Abend versammeln sich Familie, Freunde und Nachbarn in der Dorfkirche St. Katharina von Hausen, zum Geläut der Glocke in dem kleinen, hölzernen Turm. Man trauert gemeinsam um einen jungen Mann, der noch viel mit seinem Leben vorhatte.

Am 19. Juli wäre Oleg Meiling aus Hausen im Eichsfeld 22 Jahre alt geworden.

Quelle Thüringer Allgemeine 25.Juni 2009

Bilder: R.Küntzelmann | E.Jüngel