Von Christian FRÖHLICH Thüringer Allgemeine 03.Juli 2009
In einer bewegenden Trauerzeremonie nahm Bad Salzungen gestern Abschied von den drei nahe Kundus getöteten Soldaten. Erschüttert bleiben Familien und Kameraden zurück. Es sind zwei verschiedene Welten. Das Leben in Deutschland und der Einsatz in Afghanistan. Gegenwärtig etwa 3800 deutsche Soldaten und ihre Familien hoffen - ja glauben fest daran -, dass sie nur auf Zeit in einer anderen Realität sind und bald heil wieder in das richtige Leben zurückkehren. Für die drei letzten Dienstag gefallenen jungen Männer und ihre Angehörigen erfüllte sich diese Hoffnung nicht. Schwarz-rot-gold bedeckt waren die Särge des Thüringers Oleg Meiling, des Brandenburgers Alexander Schleiernick und des Sachsen-Anhaltiners Martin Brunn gestern in der Stadtkirche von Bad Salzungen aufgebart. Jeweils zwei Orden waren aufgestellt die Einsatzmedaillen für den Afghanistaneinsatz von Bundeswehr und Nato. Der Preis dafür war zu hoch für die gerade einmal Anfang Zwanzigjährigen. |
GELEIT: Kameraden tragen die toten Soldaten aus der Bad Salzunger Stadtkirche. Foto: Sascha Fromm | Thüringer Allgemeine |
Die drei Hauptgefreiten waren am 23. Juni in der Nähe ihres Stützpunktes im nordafghanischen Kundus in einem Transportpanzer Fuchs unterwegs, als sie von Aufständischen angegriffen wurden. Der Panzer kippte in ein Gewässer. Vier mit ihnen fahrende Soldaten konnten sich retten. Für die drei Gefallenen kam jede Hilfe zu spät. Etwa 700 Trauergäste waren anwesend, unter ihnen Verteidigungsminister Franz Josef Jung, Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, Ministerpräsident Dieter Althaus und zahlreiche Bundestags- sowie Landtagsabgeordnete. Sehr viele Soldaten nahmen an dem ökumenischen Gottesdienst teil. "Das hat nichts mit Religiosität zu tun. Wenn jemand aus unserer Mitte gerissen wird, wollen wir den letzten Weg mit ihm gehen", sagte ein Soldat aus der Bad Salzunger Werratal-Kaserne. In ihren Reihen rollten Tränen, als sie die Nationalhymne sangen. Allerdings war die Trauerveranstaltung nicht öffentlich und viele Bürger nahmen nach dem Gottesdienst Abschied, als die Särge aus der Kirche getragen wurden. Bläser intonierten "Ich hatt' einen Kameraden". |
Die Angehörigen wollten in Ruhe trauern, nicht in die Öffentlichkeit gerückt werden. Offenbar mussten die Familien jedoch nicht davon überzeugt werden, an dieser offiziellen Trauerfeier teilzunehmen. Man hätte glauben können, dass sie der Bundeswehr den Rücken kehren. Schließlich sind ihre Söhne, Brüder und Enkelkinder durch einen Militäreinsatz aus dem Leben gerissen worden. Doch haben sie in den letzten Tagen das Gespräch gesucht mit jenen Menschen, die die letzten Stunden mit ihren Lieben verbracht haben. Sicher auch ein wichtiger Teil der Trauerarbeit. Zugleich empfinden die Familien Verbitterung, vielleicht auch Wut. Einige der nächsten Angehörigen verweigern Verteidigungsminister Jung die Hand, als dieser kondolieren will. Ist es das wert? Ist es wert, dass deutsche Soldaten in Afghanistan fallen? Jung scheute in seiner Trauerrede zumindest nicht, diese Frage zu stellen. Auch er habe die Soldaten nach Afghanistan geschickt und sei deshalb eine Antwort schuldig. "Weil wir die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands dort schützen." Er sprach vom "Preis, den wir zahlen", damit die Bundesrepublik in Frieden und Freiheit leben kann. Besser hätte es heißen sollen: Wir sind die Profiteure - doch sie, die Soldaten, haben das Risiko getragen und letztlich auch den Preis gezahlt. "Das Gesagte macht keinen Ihrer Söhne wieder lebendig, lindert nicht Ihre Schmerzen", so Hartmut Gremmler. In einer bewegenden Ansprache versucht der Militärdekan aus Erfurt Trost zu spenden. Den Kopf nach vorn hängend, das Gesicht vergraben in den Händen. Minuten blieb ein Angehöriger so sitzen. Der Nachbar greift nach dessen Schulter. Mehr Halt als alle Worte. "Wenn man in die Augen der Angehörigen schaut, wenn man die Bilder dieser jungen Männer sieht, ihre Särge, dann fühlt man es im Herzen", so Winfried Nachtwei. Der Verteidigungsexperte der Bündnisgrünen sieht Berlin in der Pflicht, für gut durchdachte und umgesetzte Politik zu sorgen. "Hier war man in der Vergangenheit leider zu oft halbherzig", sagte Nachtwei nach der Trauerzeremonie. Es sind zwei Welten. Gestern Nachmittag, fast genau zu der Zeit, als drei Särge aus einer Thüringer Kirche getragen wurden, hob am militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn ein grauer Airbus der Luftwaffe ab. Er brachte auch wieder Soldaten aus Bad Salzungen in die andere Welt, das Einsatzgebiet am Hindukusch. Etwas außerhalb der Stadt nutzten viele den schwül-heißen Tag für Ruhe und Abkühlung am Baggersee. Gleiche Zeit, unterschiedliche Realitäten. Verstörend. Von Christian FRÖHLICH Thüringer Allgemeine 03.Juli 2009 |
Bad Salzungen, 02.07.2009.
Sehr geehrte Familie Brunn, sehr geehrte Familie Meiling, sehr geehrte Familie Schleiernick, Soldatinnen und Soldaten des Panzergrenadierbataillons 391 und des Fallschirmjägerbataillons 263, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter, sehr geehrte Frau Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, sehr geehrte Mitglieder des Bundestages und der Landtage, sehr geehrter Herr General Schneiderhan, verehrte Trauergemeinde!
Wir nehmen heute Abschied. Abschied vom Sohn, vom Bruder, vom Freund und vom Kameraden. Hauptgefreiter Martin Brunn, Hauptgefreiter Oleg Meiling und Hauptgefreiter Alexander Schleiernick sind am 23. Juni bei Kunduz im Einsatz für den Frieden gefallen.
Wir trauern und sind tief erschüttert über den Verlust dieser guten Soldaten. Er führt uns deutlich vor Augen, welch hohen Preis wir zahlen, damit wir in Deutschland in Frieden und Freiheit leben können. Ihnen, den nächsten Angehörigen, den Kameraden und den Freunden spreche ich meine aufrichtige Anteilnahme und mein tief empfundenes Mitgefühl aus.
Ich tue dies auch im Namen der Bundesregierung, an der Spitze unsere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.
Martin Brunn wäre gestern 24 Jahre alt geworden. Er war bereits gelernter Koch, als er am 1. Januar 2008 in die Bundeswehr eintrat. Er diente zunächst beim Aufklärungsbataillon 13 in Gotha und kam am 1. Oktober zum Panzergrenadierbataillon 391 nach Bad Salzungen. Hier entschied er sich für einen freiwillig längeren Wehrdienst von 23 Monaten und ließ sich zum Kraftfahrer ausbilden.
Hauptgefreiter Brunn war ganz besonders aufgrund seiner Freundlichkeit bei den Kameraden beliebt. Gelegentlich kochte er für sie und er tat dies gern.
Alexander Schleiernick wurde am 13. Oktober 1985 geboren. Er trat als gelernter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer am 1. Juli 2006 als Soldat auf Zeit für vier Jahre beim Fallschirmjägerbataillon 263 seinen Dienst an. Er war begeisterter Fallschirmspringer.
Hauptgefreiter Schleiernick meldete sich freiwillig, als Verstärkung für das 20. Einsatzkontingent gebraucht wurde. Er war ein lebensfroher junger Mann, der Fußball liebte, viel las und sich immer anbot, wenn Hilfe notwendig war.
Oleg Meiling ist der jüngste unter den Gefallenen. Er wurde nur 21 Jahre alt. Auch er absolvierte zuerst eine zivile Ausbildung, und zwar als Einzelhandelskaufmann, bevor er am 1. Oktober 2007 in die Bundeswehr eintrat. Im Panzergrenadierbataillon 391 in Bad Salzungen wurde er zum Scharfschützen ausgebildet.
Hauptgefreiter Oleg Meiling war ein freundlicher und hilfsbereiter junger Mann und ein begeisterter aktiver Fußballer. Auch er war bei seinen Kameraden sehr beliebt. Seine Vorgesetzten schätzten seine positive Einstellung zum Soldatenberuf und sein großes dienstliches Engagement.
Die drei Soldaten, um deren Verlust wir heute trauern, gehörten alle der Schutzkompanie in Afghanistan an, die das regionale Wiederaufbauteam in Kunduz unterstützt. Am 23. Juni erhielt die Schutzkompanie den Auftrag, westlich des Flusses Kunduz aufzuklären.
Die Soldaten sollten dabei eine verkehrswichtige Straße auf versteckte Sprengfallen überprüfen, damit die Menschen in der Region diese Straße wieder sicher befahren können. Dabei gerieten unsere Soldaten unter Beschuss. Die Patrouille erwiderte das Feuer. Im Verlauf des Gefechts geriet ihr Transportpanzer von der Straße ab. Er rutschte in einen Wassergraben, stürzte um und blieb auf dem Dach liegen.
Vier Soldaten der siebenköpfigen Besatzung konnten sich aus dem Fahrzeug retten. Für die drei gefallenen Soldaten kam jede Hilfe zu spät. Die Hauptgefreiten Martin Brunn, Alexander Schleiernick und Oleg Meiling starben bei einem Auftrag, der das Leben anderer schützen sollte.
Sie wurden mitten aus dem Leben gerissen: in der Folge eines hinterhältigen und verbrecherischen Anschlages! Ihr Tod reißt eine Lücke in unser Leben. Niemand kann Eltern und unmittelbare Angehörige über diesen Verlust hinwegtrösten. Und auch die Freunde und Soldaten, ganz besonders in Bad Salzungen und Zweibrücken, vermissen die Kameraden an ihrer Seite.
Der gewaltsame Tod dieser drei jungen Menschen konfrontiert uns alle mit der Frage nach dem Sinn dieses Einsatzes in Afghanistan. Wir, die Mitglieder der Bundesregierung und die Mitglieder des Bundestages, haben die Soldaten nach Afghanistan geschickt.
Wir tragen die Verantwortung, und wir sind Ihnen heute eine Antwort schuldig. Meine Antwort ist klar und eindeutig: Wir sind in Afghanistan, weil wir die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands schützen. Das ist unsere Pflicht und unser verfassungsmäßiger Auftrag.
In den Worten der Präambel unseres Grundgesetzes: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“. In Afghanistan dienen wir dem Frieden der Welt, indem wir das Übel des Terrorismus an seiner Quelle bekämpfen.
Wir haben es dabei mit einem zynischen und rücksichtslosen Gegner zu tun, für den Menschenleben nicht zählen. Sie missbrauchen die Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde und schießen selbst auf Sanitäter.
Und sie zielen darauf, die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen, damit wir uns zurückziehen und sie ihr verbrecherisches Ziel erreichen. Das wird ihnen nicht gelingen. Leider verkennen einige auch bei uns diese Gefahr für unsere Sicherheit.
In der Trauer um den Verlust, dürfen wir uns nicht den Blick auf das in Afghanistan erreichte verstellen lassen. Afghanistan war das Ausbildungscamp und Domizil für den internationalen Terrorismus. Wir haben Afghanistan von dem terroristischen Regime der Taliban befreit. Wir helfen den Afghanen dabei, Stabilität zu erreichen und ihre Sicherheit wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Das Ziel unseres Stabilisierungseinsatzes ist klar: ein stabiles und sicheres afghanisches Staatswesen.
Wir setzen uns für ein Afghanistan ein, das sich seiner inneren und äußeren Feinde sowie des Terrorismus und der organisierten Kriminalität erwehren kann. Diejenigen, die jetzt an Rückzug denken, würden Afghanistan wieder in die Hände der Taliban geben. Genau das ist es, was die Taliban erreichen wollen.
Und das dürfen wir auch im Interesse unserer Sicherheit nicht zulassen. Wir werden daher in unserem Engagement nicht nachlassen und uns weiterhin Hand in Hand mit der internationalen Gemeinschaft und der afghanischen Armee und der afghanischen Polizei den Handlangern des Terrorismus entschieden in den Weg stellen.
Das sind wir Martin Brunn, Alexander Schleiernick und Oleg Meiling schuldig!
Staat und Soldaten sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden. Dies verpflichtet uns alle. Unsere Soldatinnen und Soldaten schwören in ihrem Eid, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Die Soldaten der Bundeswehr stehen zu diesem Eid.
Sie erfüllen ihren gefährlichen Auftrag in der festen Überzeugung, damit dem Schutz und der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu dienen. Auch die Hauptgefreiten Martin Brunn, Alexander Schleiernick und Oleg Meiling waren nach Afghanistan gekommen, um diese Verpflichtung einzulösen.
Sie waren gute Soldaten und echte Patrioten!
Kein Wort des Zuspruchs vermag, in dieser schweren Stunde des Abschieds und der Trauer zu trösten. Wir sind hier alle zusammengekommen, um Ihnen, den Angehörigen, Freunden und Kameraden zu zeigen: Sie stehen in Ihrem Schmerz nicht allein.
Ich wünsche ganz besonders den Eltern, Geschwistern und Lebensgefährten unserer gefallenen Soldaten, dass Sie in dieser schweren Zeit Menschen in ihrer Nähe finden, die Ihnen Kraft und Halt geben.
Im Namen der Bundesrepublik verneige ich mich in Dankbarkeit und Anerkennung vor Martin Brunn, Alexander Schleiernick und Oleg Meiling, die für unser Land gefallen sind. Mögen sie ruhen in Frieden.